Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 03/2020:
Alle Steuerzahler
- Brexit: Vorerst keine unmittelbaren Auswirkungen
- Doppelte Haushaltsführung: Beteiligung an den laufenden Kosten am Haupthausstand?
- Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts als Werbungskosten abzugsfähig
- Erstausbildungskosten: Bundesverfassungsgericht bestätigt die steuerliche Behandlung
Kapitalanleger
Gesellschafter und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften
Personengesellschaften und deren Gesellschafter
Umsatzsteuerzahler
- Vorsteuerabzug: Frist für Zuordnungsentscheidung steht auf dem Prüfstand
- Neue Rechtsprechung zur Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern
Arbeitgeber
- Gehaltsextras: Günstige Rechtsprechung zur Zusätzlichkeit soll ausgehebelt werden
- Zahlungen zur Abgeltung des Urlaubs bei Tod des Arbeitnehmers sind beitragspflichtig
Arbeitnehmer
Abschließende Hinweise
Alle Steuerzahler
Brexit: Vorerst keine unmittelbaren Auswirkungen
| Seit 1.2.2020 ist der Brexit Realität: Das Vereinigte Königreich ist nicht mehr Mitglied der Europäischen Union. Für Bürger und Unternehmen ändert sich aber erstmal nichts, da zunächst bis Ende 2020 eine Übergangsphase läuft, in der das EU-Recht im und für das Vereinigte Königreich grundsätzlich weiterhin gilt, jedoch ohne britisches Mitbestimmungsrecht in den EU-Institutionen. Das Vereinigte Königreich bleibt in dieser Zeit auch Teil des EU-Binnenmarktes und der EU-Zollunion. |
Beachten Sie | Das Bundesfinanzministerium hat auf einer Themenseite (unter www.iww.de/s3297) finanzpolitische Informationen zu den Themen Finanzmarkt, Zoll, Haushalt und Steuern aufgeführt.
Doppelte Haushaltsführung: Beteiligung an den laufenden Kosten am Haupthausstand?
| Das Finanzgericht Niedersachsen hat kürzlich zu den gesetzlichen Anforderungen der „finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung“ bei einer doppelten Haushaltsführung Stellung genommen. |
Hintergrund
Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt.
Mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2014 setzt ein eigener Hausstand
- das Innehaben einer Wohnung (aus eigenem Recht als Eigentümer oder Mieter bzw. aus gemeinsamen oder abgeleitetem Recht als Ehegatte, Lebenspartner oder Lebensgefährte sowie Mitbewohner) sowie
- eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus.
Die Entscheidung in Kürze
Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung ist eine Beteiligung an den laufenden Miet-, Neben- und Lebensführungskosten nicht erforderlich. Auch rückwirkende Zahlungen, einmalige oder außergewöhnliche finanzielle Beiträge sind nach Auffassung des Finanzgerichts ausreichend, soweit sie insgesamt die Geringfügigkeitsgrenze von 10 % der haushaltsbezogenen Lebensführungskosten des Haupthausstands übersteigen.
Beachten Sie | Man darf gespannt sein, wie der Bundesfinanzhof die Tatbestandsmerkmale in der Revision auslegen wird. Bis dahin ist es ratsam, sich monatlich mit einem nicht unwesentlichen Betrag (oberhalb von 10 %) an den Gesamtkosten des Haupthausstands zu beteiligen.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 18.9.2019, Az. 9 K 209/18, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 213702; Rev. BFH Az. VI R 39/19; BMF-Schreiben vom 24.10.2014, Az. IV C 5 – S 2353/14/10002
Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts als Werbungskosten abzugsfähig
| Prozesskosten zur Erlangung nachehelichen Unterhalts sind als Werbungskosten abzugsfähig, wenn der Unterhaltsempfänger die Unterhaltsleistungen als sonstige Einkünfte versteuert (begrenztes Realsplittung). Dies hat das Finanzgericht Münster entschieden. Da bereits die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof entscheiden. |
Hintergrund: Beim begrenzten Realsplitting kann der Unterhaltsverpflichtete die Unterhaltszahlungen bis zu 13.805 EUR im Jahr (zuzüglich der aufgewandten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung [Basisversorgung]) als Sonderausgaben abziehen. Dies bedarf allerdings der Zustimmung des Unterhaltsberechtigten, der die Unterhaltszahlungen seinerseits als sonstige Einkünfte versteuern muss.
Sachverhalt |
Im Streitfall wurde die Ehe in 2014 geschieden und der frühere Ehemann (EM) zu Unterhaltszahlungen verpflichtet. Der EM begehrte, keinen Unterhalt zu zahlen. Die frühere Ehefrau (EF) beanspruchte höhere monatliche Zahlungen. In 2015 kam ein gerichtlicher Vergleich über die Unterhaltshöhe zustande.
In ihrer Einkommensteuererklärung 2015 erklärte die EF sonstige Einkünfte in Höhe der erhaltenen Unterhaltszahlungen und machte die Prozessführungskosten (Gerichts- und Rechtsanwaltskosten), die auf die Verfahren betreffend den nachehelichen Unterhalt entfielen, steuermindernd geltend. Das Finanzamt lehnte dies aber ab allerdings zu Unrecht, wie das Finanzgericht Münster befand. |
Nach Ansicht des Finanzgerichts sind die Prozessführungskosten als Werbungskosten zu berücksichtigen, weil die EF den Unterhalt ihres geschiedenen EM versteuert. EF hat die Prozessführungskosten aufgewendet, um zukünftig (höhere) Einkünfte in Form von Unterhaltsleistungen zu erhalten. Auch soweit es sich bei der Einkunftsart um sonstige Einkünfte handelt, können die hiermit zusammenhängenden Kosten der Rechtsverfolgung Werbungskosten darstellen.
Beachten Sie | Seit 2013 sind Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen grundsätzlich nicht mehr abziehbar. Nur dann, wenn es sich um Aufwendungen handelt, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können, liegt eine Ausnahme vor. Über diese Frage musste das Finanzgericht aber nicht entscheiden, weil es die Aufwendungen als Werbungskosten eingestuft hat.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 3.12.2019, Az. 1 K 494/18 E, Rev. BFH, Az. VI R 1/20, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 213699; FG Münster, PM vom 2.1.2020
Erstausbildungskosten: Bundesverfassungsgericht bestätigt die steuerliche Behandlung
| Nach der gesetzlichen Regelung sind Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfinden. Diese Regelung hat das Bundesverfassungsgericht nun als verfassungskonform bestätigt. |
Der Gesetzgeber durfte solche Aufwendungen als privat (mit-)veranlasst qualifizieren und den Sonderausgaben zuordnen. Dafür, so das Bundesverfassungsgericht, gibt es sachlich einleuchtende Gründe. Beispielsweise gehört die erste Berufsausbildung typischerweise zu den Grundvoraussetzungen einer Lebensführung und stellt Vorsorge für die persönliche Existenz dar.
Die unschönen Auswirkungen dieser Entscheidung liegen auf der Hand: Da während eines Studiums keine bzw. nur geringe Einnahmen erzielt werden, hätten Werbungskosten regelmäßig zu einem vortragsfähigen Verlust geführt, der dann in den Jahren der Berufsausübung steuermindernd gewirkt hätte. Demgegenüber bleiben Sonderausgaben bei fehlenden Einkünften in demselben Jahr wirkungslos, da hier keine jahresübergreifende Verrechnung möglich ist. Darüber hinaus ist der Sonderausgabenabzug nur bis zu 6.000 EUR im Kalenderjahr möglich. Auch diese Begrenzung hat das Bundesverfassungsgericht als zulässig eingestuft.
Quelle | BVerfG, Beschluss vom 19.11.2019, Az. 2 BvL 22/14 – 27/14, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 213698; BVerfG, PM Nr. 2/2020 vom 10.1.2020
Kapitalanleger
Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz: Voraussichtliche Staatenaustauschliste 2020
| Nach den Vorgaben des Finanzkonten-Informationsaustauschgesetzes werden Informationen über Finanzkonten in Steuersachen zwischen dem Bundeszentralamt für Steuern und der zuständigen Behörde des jeweils anderen Staates automatisch ausgetauscht. Das Bundesfinanzministerium hat nun die Staaten bekanntgegeben, mit denen voraussichtlich der automatische Datenaustausch zum 30.9.2020 erfolgt. |
Beachten Sie | Weiterführende Informationen zum Informationsaustausch über Finanzkonten erhalten Sie u. a. auf der Webseite des Bundesfinanzministeriums (unter www.iww.de/s308) sowie auf der Webseite des Bundeszentralamts für Steuern (unter www.iww.de/s2991).
Quelle | BMF-Schreiben vom 28.1.2020, Az. IV B 6 – S 1315/19/10030 :015, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 213949
Gesellschafter und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften
Miete: Zuflussfiktion beim beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer
| Bei beherrschenden Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft besteht für Ansprüche gegen die Gesellschaft die Fiktion eines Zuflusses im Zeitpunkt der Fälligkeit. Mit dieser Zuflussfiktion hat sich jüngst das Finanzgericht Münster näher beschäftigt. |
Hintergrund
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz sind Einnahmen innerhalb des Kalenderjahrs bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Geldbeträge fließen dem Steuerpflichtigen grundsätzlich dadurch zu, dass sie bar ausgezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden.
Beachten Sie | Da sich die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht nach den tatsächlichen Verhältnissen richtet, kann das Zufließen grundsätzlich nicht fingiert werden.
Eine Ausnahme besteht indes bei beherrschenden Gesellschaftern einer Kapitalgesellschaft. Bei diesen wird angenommen, dass sie über eine von der Gesellschaft geschuldete Vergütung bereits im Zeitpunkt der Fälligkeit verfügen können und ihnen damit entsprechende Einnahmen zugeflossen sind. Gerechtfertigt wird dies damit, dass es der beherrschende Gesellschafter in der Hand hat, solche Beträge stehen oder sich auszahlen zu lassen.
Die Rechtsprechung hat allerdings auch Ausnahmen von dem Grundsatz des „Fälligkeitszuflusses“ anerkannt, insbesondere, wenn die GmbH zahlungsunfähig ist.
Sachverhalt und Entscheidung
Im Streitfall lagen die positiven Voraussetzungen für einen „Fälligkeitszufluss“ nach Auffassung des Finanzgerichts Münster vor. Denn der Steuerpflichtige war Geschäftsführer und beherrschender Gesellschafter der GmbH. Zudem hatte die GmbH die fälligen Mieten nicht zum Fälligkeitszeitpunkt bezahlt.
Im Verfahren beschäftigte sich das Finanzgericht ausführlich mit der Frage, was der Maßstab für eine Zahlungsunfähigkeit ist. Dabei geht das Finanzgericht (insoweit) in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs von einem engen, nicht mit § 17 der Insolvenzordnung übereinstimmenden Zahlungsunfähigkeitsbegriff aus. Erforderlich ist mithin, dass die GmbH ihre fälligen Verpflichtungen „schlechterdings” nicht erfüllen konnte.
Beachten Sie | Das Finanzgericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Denn u. a. hat sich der Bundesfinanzhof noch nicht ausdrücklich mit der Frage befasst, welche Relevanz das Zahlungsverbot des § 64 Satz 1 des GmbHG für den Fälligkeitszufluss hat. Nach dieser Regelung sind die Geschäftsführer der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden.
Quelle | FG Münster, Urteil vom 4.9.2019, Az. 4 K 1538/16, E, G, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 213946
Personengesellschaften und deren Gesellschafter
E-Bilanz: Ergebnisverteilung bei Personengesellschaften
| Unternehmen müssen den Inhalt der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung grundsätzlich nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung übermitteln. Wird die E-Bilanz als Steuerbilanz bzw. Einheitsbilanz eingereicht, werden E-Bilanzen künftig nicht mehr angenommen, in denen der Ergebnisanteil des Mitunternehmers direkt auf einem Darlehenskonto verbucht worden ist. Falls die E-Bilanz als Handelsbilanz eingereicht wird, erwartet die Finanzverwaltung in Zukunft, dass diese Buchung über das Eigenkapital im Rahmen der Überleitungsrechnung nachgebildet wird. Dies hat die Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe mitgeteilt. |
Bei der Ergebnisverteilung bestehen zwei Möglichkeiten der Verbuchung von Gewinnanteilen der Mitunternehmer:
- Der Ergebnisanteil wird zulasten des Jahresergebnisses auf das Gesellschafterdarlehenskonto (direkt in das Fremdkapital) gebucht.
- Bei der zweiten Möglichkeit wird der Ergebnisanteil erst dem Kapitalkonto gutgeschrieben und anschließend als Entnahme auf das Gesellschafterdarlehenskonto umgebucht.
MERKE | Das Bundesfinanzministerium lehnt die Anwendung der Direktverbuchung mit der Konsequenz ab, dass eine entsprechende Direktverbuchung ab der Taxonomie-Version 6.3, die grundsätzlich für die Bilanzen der nach dem 31.12.2019 beginnenden Wirtschaftsjahre anzuwenden ist, als fehlerhaft zurückgewiesen werden wird. Damit kann die E-Bilanz der Mitunternehmerschaft nicht mehr übermittelt werden. |
Hintergrund ist, dass die Entwicklung der Kapitalkonten bei einer Direktverbuchung im Fremdkapital nur schwer nachvollziehbar ist.
Ab der Taxonomie-Version 6.3 erhöht ein Steuerbilanzgewinn in einem ersten Schritt das steuerliche Eigenkapital und damit die Kapitalanteile der Mitunternehmer entsprechend dem ihnen zuzurechnenden Anteil am Steuerbilanzgewinn. Ist der Gewinnanteil auf einem als Fremdkapital einzustufenden Gesellschafterkonto zu erfassen, ist insoweit in einem zweiten Schritt eine Entnahme zu berücksichtigen, die dann zu einer Minderung des Kapitalanteils führt.
Soweit und solange entnahmefähige Gewinnanteile nicht entnommen werden, stellen sie grundsätzlich eine dem Sonderbetriebsvermögen zuzuordnende Forderung des jeweiligen Mitunternehmers dar. In diesem Fall ist im Sonderbereich korrespondierend eine Einlage zu erfassen.
Quelle | StBK Westfalen-Lippe, Mitteilung vom 24.7.2019
Umsatzsteuerzahler
Vorsteuerabzug: Frist für Zuordnungsentscheidung steht auf dem Prüfstand
| Der Vorsteuerabzug bei nicht nur unternehmerisch genutzten Gegenständen (z. B. Fotovoltaikanlagen) erfordert eine zeitnahe Zuordnung zum Unternehmensvermögen. Wurde die Zuordnung bei der Umsatzsteuer-Voranmeldung nicht dokumentiert, ist sie spätestens bis zur gesetzlichen Abgabefrist für Steuererklärungen (31.7. des Folgejahrs) gegenüber dem Finanzamt zu erklären. Fristverlängerungen für die Abgabe der Steuererklärungen verlängern die Dokumentationsfrist nicht. An dieser Ausschlussfrist hat der Bundesfinanzhof nun aber Zweifel geäußert. |
Sachverhalt |
Ein Steuerpflichtiger, der einen Gerüstbaubetrieb unterhält, errichtete ein Einfamilienhaus mit einer Gesamtnutzfläche von ca. 150 qm, wovon auf ein Zimmer („Arbeiten“) ca. 17 qm entfielen (Fertigstellung 2015). Erst in der am 28.9.2016 beim Finanzamt eingegangenen Umsatzsteuer-Jahreserklärung für 2015 (nicht aber in den zuvor eingereichten Umsatzsteuer-Voranmeldungen) machte der Steuerpflichtige für die Errichtung des Arbeitszimmers anteilig Vorsteuern geltend. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug wegen der nicht rechtzeitig erfolgten Zuordnung des Zimmers zum Unternehmensvermögen. |
Nach den vom Bundesfinanzhof entwickelten Kriterien zur Zuordnungsentscheidung wäre die Sichtweise der Finanzverwaltung zutreffend.
Der Bundesfinanzhof hat aber nun Zweifel geäußert, ob diese Sichtweise mit dem Unionsrecht in Einklang steht und hat dem Europäischen Gerichtshof im Kern zwei Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
- Darf ein Mitgliedstaat eine Ausschlussfrist für die Zuordnung zum Unternehmensvermögen vorsehen?
- Welche Rechtsfolgen hat eine nicht (rechtzeitig) getroffene Zuordnungsentscheidung?
Hoffnung, dass der Europäische Gerichtshof die restriktive deutsche Sichtweise ablehnt, macht ein Urteil aus 2018, in dem es um einen Fall aus Polen ging. Insbesondere folgende Passage ist von Bedeutung:
„Auch wenn eine eindeutige und ausdrückliche Bekundung der Absicht, den Gegenstand bei seinem Erwerb einer wirtschaftlichen Verwendung zuzuordnen, ausreichend sein kann, um den Schluss zu ziehen, dass der Gegenstand von dem als solchem handelnden Steuerpflichtigen erworben wurde, schließt doch das Fehlen einer solchen Erklärung nicht aus, dass diese Absicht implizit zum Ausdruck kommen kann.“
Beachten Sie | In einem weiteren Verfahren, das den Erwerb einer Fotovoltaikanlage durch einen Privatmann betrifft, hat der Bundesfinanzhof ebenfalls den Europäischen Gerichtshof angerufen.
Quelle | BFH, Beschluss vom 18.9.2019, Az. XI R 3/19, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 213869; BFH, Beschluss vom 18.9.2019, Az. XI R 7/19, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 213872; BFH, PM Nr. 5 vom 30.1.2020; EuGH-Urteil vom 25.7.2018, Rs. C-140/17, „Gmina Ryjewo“
Neue Rechtsprechung zur Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern
| Trägt das Mitglied eines Aufsichtsrats wegen einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko, ist es nicht als umsatzsteuerlicher Unternehmer tätig. Dies hat der Bundesfinanzhof entgegen bisheriger Rechtsprechung entschieden. |
Sachverhalt |
Ein leitender Angestellter der S-AG war zugleich Aufsichtsratsmitglied der E-AG, deren Alleingesellschafter die S-AG war. Nach der Satzung der E-AG erhielt jedes Aufsichtsratsmitglied für seine Tätigkeit eine Festvergütung von 20.000 EUR p. a. oder einen zeitanteiligen Anteil hiervon.
Das Aufsichtsratsmitglied wandte sich gegen die Annahme, dass er als Mitglied des Aufsichtsrats Unternehmer sei und in dieser Eigenschaft umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringe. Einspruch und Klage zum Finanzgericht hatten keinen Erfolg. Demgegenüber gab der Bundesfinanzhof der Klage statt. |
Der Bundesfinanzhof begründete dies mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs aus 2019. Nach dieser Rechtsprechung übt das Mitglied eines Aufsichtsrats unter bestimmten Voraussetzungen keine selbstständige Tätigkeit aus.
Maßgeblich ist, dass das Aufsichtsratsmitglied für Rechnung und unter Verantwortung des Aufsichtsrats handelt und dabei auch kein wirtschaftliches Risiko trägt. Letzteres ergab sich in dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Einzelfall daraus, dass das Aufsichtsratsmitglied eine feste Vergütung erhielt, die
- weder von der Teilnahme an Sitzungen
- noch von seinen tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden abhängig war.
Dem hat sich der Bundesfinanzhof nun unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung angeschlossen: Trägt das Mitglied eines Aufsichtsrats aufgrund einer nicht variablen Festvergütung kein Vergütungsrisiko, ist es entgegen bisheriger Rechtsprechung nicht als Unternehmer tätig.
Beachten Sie | Ausdrücklich offengelassen hat der Bundesfinanzhof, ob für den Fall, dass das Aufsichtsratsmitglied eine variable Vergütung erhält, an der Unternehmereigenschaft entsprechend bisheriger Rechtsprechung festzuhalten ist.
Quelle | BFH-Urteil vom 27.11.2019, Az. V R 23/19, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 214009; BFH, PM Nr. 6 vom 6.2.2020; EuGH-Urteil vom 13.6.2019, Az. C-420/18
Arbeitgeber
Gehaltsextras: Günstige Rechtsprechung zur Zusätzlichkeit soll ausgehebelt werden
| Steuerfreie oder pauschalversteuerte Gehaltsextras müssen in vielen Fällen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet werden. In drei Urteilen hatte der Bundesfinanzhof dieses Kriterium zugunsten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer im vergangenen Jahr neu definiert. Nun soll dieser Rechtsprechung durch ein Nichtanwendungsgesetz der Boden entzogen werden. |
Hintergrund
Vielfach ist eine Steuerbegünstigung oder eine Pauschalversteuerung durch den Arbeitgeber nur zulässig, wenn die Gehaltsextras zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. Dies gilt z. B. für
- den steuerfreien Zuschuss zur betrieblichen Gesundheitsförderung bis zu 600 EUR je Arbeitnehmer im Kalenderjahr oder
- die pauschal zu versteuernden Zuschüsse zu Fahrtkosten für Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte.
Nach der neuen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs liegt zusätzlicher Arbeitslohn vor, wenn dieser verwendungs- bzw. zweckgebunden neben dem ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet wird. Es kommt nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer auf den zusätzlichen Arbeitslohn einen arbeitsrechtlichen Anspruch hat.
Ein arbeitsvertraglich vereinbarter Lohnformenwechsel ist nicht schädlich für die Begünstigung. Setzen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den „ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ für künftige Lohnzahlungszeiträume arbeitsrechtlich wirksam herab, dann kann der Arbeitgeber diese Minderung durch verwendungsgebundene Zusatzleistungen steuerbegünstigt ausgleichen.
Geplante Gesetzesänderung
Die Bundesregierung will diese erfreuliche Rechtsprechung aus 2019 nun durch eine Änderung des § 8 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aushebeln. Vorgesehen ist ein neuer Absatz 4 mit folgendem Wortlaut:
„Im Sinne dieses Gesetzes werden Leistungen des Arbeitgebers (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn
- der Wert der Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,
- der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt oder
- die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer Erhöhung des Arbeitslohns gewährt
wird.“
Beachten Sie | Die gesetzliche Neuregelung soll am Tag nach der Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt in Kraft treten.
Nach der Gesetzesbegründung „sollen im gesamten Lohn- und Einkommensteuerrecht nur echte Zusatzleistungen des Arbeitgebers steuerbegünstigt sein, nicht aber Leistungen, für die im Gegenzug der Bruttoarbeitslohn des Arbeitnehmers abgesenkt wird.“
Relevanz für die Praxis
Der Referentenentwurf zeigt, dass die Freude über eine steuerzahlerfreundliche Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs oft nicht lange währt. Denn nach der geplanten Neuregelung ist folgender Sachverhalt nicht steuerbegünstigt:
Beispiel |
AN hat einen arbeitsvertraglichen Gehaltsanspruch in Höhe von 3.000 EUR im Monat. Mit Wirkung ab 1.7.2021 wird das Gehalt auf 2.800 EUR reduziert und AN erhält zum Ausgleich einen Kindergartenzuschuss von 200 EUR.
Ein Kindergartenzuschuss ist nur steuerfrei, wenn er zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wäre dieses Kriterium hier erfüllt; nach der gesetzlichen Neuregelung aber nicht. |
Erstaunlich ist die Art und Weise der Umsetzung: Denn die Neuregelung soll über das sogenannte Grundrentengesetz eingeführt werden, das hierfür alles andere als prädestiniert erscheint.
Auch wenn die Intention des Gesetzgebers klar ist, handelt es sich „nur“ um einen Referentenentwurf. Die weitere Entwicklung bleibt also abzuwarten.
Quelle | Entwurf eines Gesetzes zur Einführung der Grundrente für langjährig in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherte mit unterdurchschnittlichem Einkommen und für weitere Maßnahmen zur Erhöhung der Alterseinkommen (Grundrentengesetz), Referentenentwurf der Bundesregierung mit Stand vom 16.1.2020; BFH-Urteile vom 1.8.2019, Az. VI R 32/18, Az. VI R 21/17, Az. VI R 40/17
Zahlungen zur Abgeltung des Urlaubs bei Tod des Arbeitnehmers sind beitragspflichtig
| Zahlungen zur Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus Anlass des Todes des Arbeitnehmers lösen eine Beitragspflicht in der Sozialversicherung aus. Das haben die Spitzenorganisationen in der Sozialversicherung am 20.11.2019 beschlossen. |
Hintergrund
Nach der bisherigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hatten die Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers keinen Anspruch auf Urlaubsabgeltung, wenn das Arbeitsverhältnis durch den Tod des Arbeitnehmers endete.
Mit Entscheidung aus 2019 hat sich das Bundesarbeitsgericht nun aber von seiner bisherigen Rechtsprechung verabschiedet und sich der anderslautenden Rechtsauffassung des Europäischen Gerichtshofs angeschlossen.
Sozialversicherung
Vor diesem Hintergrund halten die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung an ihrer bisherigen Sichtweise nicht weiter fest. Urlaubsabgeltungen nach Beendigung der Beschäftigung durch Tod des Arbeitnehmers erfüllen einen während der Beschäftigung erworbenen Zahlungsanspruch des Arbeitnehmers und sind somit als Arbeitsentgelt zu werten.
Diese Urlaubsabgeltungen stellen einmalig gezahltes Arbeitsentgelt dar, das nach den dafür vorgesehenen Regelungen der Beitragspflicht unterliegt, sofern die Abgeltung im Einzelfall tatsächlich gezahlt wird.
Beachten Sie | Die neue Rechtsauffassung ist für Urlaubsabgeltungen, die nach dem 22.1.2019 (Datum des Urteils des Bundesarbeitsgerichts) gezahlt werden, anzuwenden.
Quelle | Spitzenorganisationen der Sozialversicherung, Besprechungsergebnis vom 20.11.2019 (TOP 1), unter www.iww.de, Abruf-Nr. 213667; BAG-Urteil vom 22.1.2019, Az. 9 AZR 45/16
Arbeitnehmer
Sky-Bundesliga-Abo als Werbungskosten
| Kosten für ein Sky-Bundesliga-Abo können nach einer Entscheidung des Finanzgerichts Düsseldorf bei entsprechender beruflicher Veranlassung als Werbungskosten abzugsfähig sein. Im Streitfall ging es um einen bei einem Lizenzfußballverein angestellten Torwarttrainer. |
Im ersten Rechtsgang hatte das Finanzgericht Düsseldorf den Werbungskostenabzug noch mit dem Argument abgelehnt, Zielgruppe des Pakets „Fußball Bundesliga“ sei kein Fachpublikum, sondern die Allgemeinheit. Die entsprechenden Kosten für ein Sky-Bundesliga-Abo seien daher wie bei dem Bezug einer Tageszeitung immer privat veranlasst, auch wenn ein Steuerpflichtiger ein berufliches Interesse daran habe.
Im Revisionsverfahren folgte der Bundesfinanzhof dieser Argumentation nicht. Aufwendungen für ein Sky-Bundesliga-Abo können danach Werbungskosten sein, wenn das Abo tatsächlich nahezu ausschließlich beruflich genutzt wird. Im zweiten Rechtsgang konnte das Finanzgericht Düsseldorf nun eine entsprechende, fast ausschließliche berufliche Veranlassung feststellen. Ferner stellte das Finanzgericht fest: Der Nachweis der nahezu ausschließlichen beruflichen Nutzung setzt keine Beweisvorsorge durch die Fertigung schriftlicher Notizen zu den analysierten Spielszenen voraus.
PRAXISTIPP | Auch wenn der Abzug der Sky-Abo-Kosten die Ausnahme bleiben wird, kommt eine steuerliche Berücksichtigung doch zumindest bei Arbeitnehmern im Profisport (insbesondere Fußballtrainer, Manager, sportliche Leiter u. Ä.) in Betracht. In diesen Fällen wird es in jedem Einzelfall auf die Darlegung des beruflichen Nutzens ankommen. |
Quelle | FG Düsseldorf, Urteil vom 5.11.2019, Az. 15 K 1338/19 E, unter www.iww.de, Abruf-Nr. 213355; BFH-Urteil vom 16.1.2019, Az. VI R 24/16
Abschließende Hinweise
Verzugszinsen
| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1.1.2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Die Höhe wird jeweils zum 1.1. und 1.7. eines Jahres neu bestimmt. |
Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1.1.2020 bis zum 30.6.2020 beträgt -0,88 Prozent.
Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:
- für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 4,12 Prozent
- für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 8,12 Prozent*
* für Schuldverhältnisse, die vor dem 29.7.2014 entstanden sind: 7,12 Prozent.
Die für die Berechnung der Verzugszinsen anzuwendenden Basiszinssätze betrugen in der Vergangenheit:
Berechnung der Verzugszinsen | |
Zeitraum |
Zins |
vom 1.7.2019 bis 31.12.2019 |
-0,88 Prozent |
vom 1.1.2019 bis 30.6.2019 |
-0,88 Prozent |
vom 1.7.2018 bis 31.12.2018 |
-0,88 Prozent |
vom 1.1.2018 bis 30.6.2018 |
-0,88 Prozent |
vom 1.7.2017 bis 31.12.2017 |
-0,88 Prozent |
vom 1.1.2017 bis 30.6.2017 |
-0,88 Prozent |
vom 1.7.2016 bis 31.12.2016 |
-0,88 Prozent |
vom 1.1.2016 bis 30.6.2016 |
-0,83 Prozent |
vom 1.7.2015 bis 31.12.2015 |
-0,83 Prozent |
vom 1.1.2015 bis 30.6.2015 |
-0,83 Prozent |
vom 1.7.2014 bis 31.12.2014 |
-0,73 Prozent |
vom 1.1.2014 bis 30.6.2014 |
-0,63 Prozent |
Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 03/2020
| Im Monat März 2020 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |
Steuertermine (Fälligkeit):
- Umsatzsteuer (Monatszahler): 10.3.2020
- Lohnsteuer (Monatszahler): 10.3.2020
- Einkommensteuer (vierteljährlich): 10.3.2020
- Kirchensteuer (vierteljährlich): 10.3.2020
- Körperschaftsteuer (vierteljährlich): 10.3.2020
Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.
Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 13.3.2020. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.
Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):
Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat März 2020 am 27.3.2020.